Neuzelle – Barockes Kleinod und Naturparadies an der Oder
Versteckt im südöstlichen Brandenburg, nahe der polnischen Grenze, liegt das malerische Neuzelle – ein Ort, der mit barocker Pracht, unberührter Natur und internationaler Vielfalt begeistert. Wer einen Tagesausflug oder ein entspanntes Wochenende plant, findet hier eine perfekte Mischung aus Kultur, Kulinarik und Aktivitäten zu Land und zu Wasser.
Ein Beitrag von Sibylle-Trenck-Germann
Das Eingangstor zum Kloster Neuzelle. FOTO Antje Müller
Neuzelle – ein Erholungsort, der Geschichte atmet und zugleich lebendig pulsiert – liegt im Südosten Brandenburgs im Landkreis Oder-Spree. Neuzelle ist eingebettet in die sanfte Hügellandschaft des Schlaubetals, nahe der Oder und bietet ideale Bedingungen für Naturfreunde, Ruhesuchende und Outdoor-Fans. Mit seinen rund 4.200 Einwohnern ist Neuzelle zwar klein, doch seine kulturelle und historische Strahlkraft reicht weit über die Region hinaus.
Das Herzstück des Ortes ist zweifellos das Kloster Neuzelle, ein barockes Juwel, das in dieser Form nördlich der Alpen seinesgleichen sucht. Die Stiftskirche St. Marien mit ihrer üppigen Innenausstattung, die kunstvollen Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab und der gepflegte Klostergarten laden zum Genießen und Verweilen ein. Ein Spaziergang durch die Klosteranlage ist wie eine Reise in eine andere Zeit – prachtvoll, ruhig und inspirierend. Hier werden auch Führungen mit Einblicken in die Geschichte und Bedeutung der Architektur und Kunst des Klosters Neuzelle angeboten.
Das Kloster Neuzelle zählt zu den bedeutendsten barocken Bauwerken der Region. FOTO Antje Müller
Der Klostergarten lädt zu einem Spaziergang ein. FOTO Sibylle Trenck-Germann
Am Campus im Stift Neuzelle befindet sich ein modernes Schul- und Internatszentrum in historischer Umgebung – untergebracht im ehemaligen Zisterzienserkloster Neuzelle. Der Campus vereint mehrere Bildungseinrichtungen mit Gymnasium, Oberschule, Sprachschule, Musik- und Kunstschule sowie einem Internat und ist international geprägt. Schülerinnen und Schüler aus vielen Ländern leben hier zusammen – interkultureller Austausch, Toleranz und Weltoffenheit sind zentrale Werte des pädagogischen Konzepts.
FOTOS Antje Müller
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Die im Jahr 1268 vom Meißener Markgrafen Heinrich dem Erlauchten gegründete Klosteranlage zählt zu den wenigen vollständig erhaltenen Beispielen zisterziensischer Baukunst in Deutschland. Im Zentrum des Ensembles erhebt sich die katholische Stiftskirche St. Marien – ein barockes Meisterwerk. Schon aus der Ferne ist der über 70 Meter hohe Glockenturm sichtbar, der als markantes Wahrzeichen den Ort prägt. Ursprünglich als gotisches Gotteshaus errichtet, wurde die Kirche im 17. und 18. Jahrhundert von italienischen und böhmischen Künstlern in eine prachtvolle Barockkirche verwandelt – ein Wandel, der eng mit der historischen Zugehörigkeit der Niederlausitz zu Böhmen und Sachsen bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein verknüpft ist.
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Der zwischen 1380 und 1450 errichtete Kreuzgang mit seinen angrenzenden Räumen ist in seiner spätgotischen Form bis heute erhalten geblieben. Besonders die kunstvoll gestalteten Kreuzrippengewölbe und die noch sichtbaren Wandmalereien zeugen von der hohen handwerklichen und künstlerischen Qualität zisterziensischer Baukunst und unterstreichen die einstige Bedeutung des Klosters im Spätmittelalter.
Im Klostermuseum wird die bewegte Geschichte der Anlage lebendig. Wertvolle Exponate veranschaulichen nicht nur das klösterliche Leben, sondern auch die vielfältigen Verflechtungen mit religiösen und politischen Entwicklungen in Deutschland und Europa. Die Ausstellung spannt einen Bogen von der Gründung des Klosters über die Zerstörungen durch die Hussiten im 15. Jahrhundert und die barocke Blütezeit bis hin zur Auflösung des Klosters im Jahr 1817.
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Der kostbarste Schatz des Klosters ist im Museum «Himmlisches Theater» zu bewundern: die europaweit einzigartigen Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab. In einer beeindruckenden Inszenierung, die an ein barockes Kulissentheater erinnert, entfaltet sich das Leiden, Sterben und die Auferstehung Jesu Christi auf monumentalen Leinwänden und kunstvoll bemalten Holztafeln. In fünf Bühnenbildern mit insgesamt 15 Szenen werden die zentralen Ereignisse der Passion eindrucksvoll und emotional erlebbar gemacht.
Seit 1589 wird in der Klosterbrauerei Neuzelle Bier gebraut. FOTO Antje Müller
Direkt neben dem Kloster befindet sich die Neuzeller Klosterbrauerei, die vor allem für ihr Gourmet- und Craftbier sowie für das «Schwarzer Abt» bekannt ist – ein tiefdunkles Schwarzbier mit cremigem Schaum. Wer echtes Brauhandwerk hautnah erleben möchte kann hier auch an einer Brauereiführung teilnehmen.
Eine Verkostung im Brauereigasthof «Klosterklause» oder im Biergarten mit Blick auf die Klostermauern ist ein lohnenswerter Stopp für Genießer. Wer es süßer mag, darf im «Café Orangerie» im Barockgarten einkehren (Mai bis Oktober, Freitag 12-18 Uhr & Sa/So 11-18 Uhr).
Tipps für Ausflüge in der Umgebung
Outdoor-Fans kommen in Neuzelle ebenfalls auf ihre Kosten. Der Oder-Neiße-Radweg durch Ratzdorf bietet herrliche Ausblicke auf die Flusslandschaft auf einer besonders schönen Etappe zwischen Forst und Eisenhüttenstadt.
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Der Oder-Neiße-Radweg erstreckt sich über rund 590 Kilometer – mit lohnenswerten Abstechern voller Natur, Geschichte und kultureller Highlights sogar noch etwas länger. Die Strecke lässt sich bequem in mehrere Etappen unterteilen und führt dich von der Grenze der Tschechischen Republik bei Zittau bis nach Ahlbeck an die Ostsee. Sowohl der Start- als auch der Zielort sind gut mit der Bahn erreichbar, was die An- und Abreise besonders unkompliziert macht.
Ratzdorf liegt auf dem Oder-Neiße-Radweg an einem besonders markanten Punkt: Dort mündet die Lausitzer Neiße in die Oder. Dieser Ort markiert somit den Übergang von der Neiße- zur Oder-Etappe zwischen Forst und Eisenhüttenstadt.
Bei der Kajüte und beim Pegelhaus in Ratzdorf an der Oder-Neiße-Mündung befindet sich ein idealer Ort für ein Picknick am Wasser. FOTOS Antje Müller
Wer lieber mit Wanderlust unterwegs ist, sollte den Schlaubetal-Wanderweg erkunden. Das Schlaubetal, nur wenige Kilometer entfernt, ist ein wildromantisches Naturparadies mit klaren Bächen, moosbewachsenen Steinen und urigen Waldpfaden – perfekt für eine ausgedehnte Wanderung oder eine stille Auszeit.
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Der Schlaubetal-Wanderweg ist ein zertifizierter Qualitätswanderweg im Naturpark Schlaubetal und zählt zu den schönsten Bachtälern Brandenburgs. Er ist etwa 25 Kilometer lang und verläuft entlang des kleinen Flusses Schlaube, der sich durch eine verwunschene Landschaft mit Schluchten, Wäldern, Mooren und Mühlen schlängelt.
Von Neuzelle aus erreichst du den Einstieg am Wirchensee (Ortsteil Treppeln) in wenigen Kilometern – ideal mit dem Rad oder Auto. Dort beginnt der Wanderweg in Richtung Müllrose. Alternativ kannst du auch in Müllrose starten und die Tour in Richtung Wirchensee wandern oder eine kürzere Route rund um den Wirchensee wählen: Die schönsten Wanderungen rund um den Wirchensee (Komoot)
Naturschutzgebiet Schlaubetal. FOTO CC BY-SA, Bergknappe
Auch auf dem Wasser lässt sich die Region entdecken: Boots- und Kanutouren bieten eine neue Perspektive auf die Landschaft und sind besonders im Sommer ein erfrischendes Erlebnis. In der Nähe von Neuzelle empfiehlt sich eine Tour zwischen Guben bis Eisenhüttenstadt.
Auf diesem für Motorboote gesperrten Fluss lässt es sich fernab vom Trubel klassischer Touristenziele entspannt dahintreiben. Hier erlebt man eine fast vergessene Stille – eine Landschaft, die über 60 Jahre im «Dornröschenschlaf» lag, wodurch der Natur eine wohltuende Atempause gegönnt worden ist. In dieser unberührten Umgebung begegnet man mit etwas Glück seltenen Libellenarten, dem schillernden Eisvogel, majestätischen Kranichen und der scheuen Schellente. Wer aufmerksam beobachtet, kann sogar den Fischadler bei der Jagd erspähen und die Spuren des Bibers sind an vielen Uferstellen unübersehbar.
Bei der Besucherinformation vom Amt Neuzelle finden sich zahlreiche Ausflugstipps – weitere Empfehlungen stellen wir hier vor.
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Die Kajüte Ratzdorfist eine traditionsreiche Gast- und Tanzwirtschaft direkt an der Oder, nahe der Mündung der Neiße – ein beliebter Treffpunkt für Radfahrer, Wanderer und Ausflügler auf dem Oder-Neiße-Radweg. Die Atmosphäre ist entspannt, mit einem großen Biergarten, einem historischen Tanzsaal und regelmäßigem Kulturprogramm.
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Gleich neben der Kajüte befindet sich auch das Pegelhaus Ratzdorf – ein beliebter Aussichtspunkt mit Infotafeln zur Flusslandschaft. In jüngster Geschichte wurde Ratzdorf im Jahr 1997 durch das Jahrhunderthochwasser weltweit bekannt.
Das Pegelhaus wurde zu einem Wahrzeichen, welches durch alle Medien ging und große Aufmerksamkeit erlangte. Selbst Michael Jackson spendete für einen Spielplatz in Ratzdorf.
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Zwischen 1943 und 1945 wurde dieses Kraftwerk unter Einsatz jüdischer und sowjetischer Zwangsarbeiter errichtet. Es sollte einst Strom für eine geplante Chemiefabrik in Fürstenberg liefern – doch zur Inbetriebnahme kam es nie. Nach Kriegsende wurden die technischen Anlagen als Reparationsleistung in die Sowjetunion abtransportiert.
So steht das unvollendete Bauwerk bis heute als stummer Zeuge einer dunklen Vergangenheit – bedrückend, mahnend und zugleich faszinierend in seiner stillen Präsenz.
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Das Museum Utopie und Alltag zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie Menschen in der DDR lebten, wohnten und gestalteten. Mit Alltagsgegenständen, Möbeln, Kleidung und Kunstwerken erzählt es vom Spannungsfeld zwischen Ideologie und Realität. Die Ausstellungen laden dazu ein, die DDR jenseits von Klischees zu entdecken: kritisch, anschaulich und oft überraschend – ein Ort der Erinnerung und Reflexion.
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Das Museum Utopie und Alltag vermittelt auf beeindruckende Weise, wie die Menschen in der DDR lebten, wohnten und ihren Alltag gestalteten. FOTOS Antje Müller
Unsere Interviews im Landkreis Oder-Spree
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Öffentlicher Verkehr
Aus Richtung Berlin:
RE 1 bis Frankfurt (Oder), RE 10 oder RB 43 bis Neuzelle
Aus Richtung Cottbus:
RE 10 oder RB 43 bis Neuzelle
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